Wir fühlten uns so glücklich, frei, entspannt und sorglos. - Jeanette & Sandra
In der Turtle Lodge fühlten wir uns wie in einer von der Außenwelt abgeschiedenen Welt.
Ein brasilianisches Hallo, Oi, Ihr Lieben!
Unser letzter Flug ging von Iguacu nach Manaus am Amazonas. Die Dschungelmetropole liegt im Landesinnern, 1700 Kilometer westlich vom Delta entfernt. Manaus, einst die reichste Stadt der Welt, ist eine heruntergekommene, verdreckte Stadt. Sie verdankte ihren Reichtum dem Kautschukboom der Ende des 19. Jahrhundert einsetzte aber nur von kurzer Dauer war. Engländer wollten das Kautschukmonopol der Brasilianer brechen, indem sie Samen aus Manaus heraus schmuggeln ließen. Erst nach einigen Versuchen gelang es den Engländern die Pflanzen in Malaysien anzupflanzen, wodurch das Monopol gebrochen und der Niedergang Manaus besiegelt war. In dieser Zeit wurden einige herrschaftliche Häuser von den Kautschukbaronen erbaut und das berühmte Opernhaus Teatro Amazonia, in dem noch heute Aufführungen stattfinden. All das ist heute verfallen, verlassen und verkommen. Gerade mal die Oper ist toll restauriert und wir beide hatten das Glück, dass dort gerade eine moderne Ballettaufführung stattfand, der wir beiwohnen konnten. Vor ca 40 Jahren wurde in Manaus eine Freihandelszone etabliert, die viele Betriebe anzog und somit auch viele Menschen aus den ländlichen Gebieten, die hofften dort Arbeit zu finden. Da wesentlich mehr ungeschulte Menschen nach Manaus zogen, entstanden bald Favelas und mittlerweile ist Manaus ein Drogenumschlagplatz für harte Drogen aus Kolumbien. Die Bevölkerung ist von 200.000 von vor ca 50 Jahren auf 2 Millionen angewachsen! Wir waren froh, nach 2 Übernachtungen in unsere Dschungel-Lodge weiter zu ziehen.
Diese 4 Tage haben wir in reiner Natur, ohne Elektronik und nur mit stundenweisem Strom vom Generator verbracht. Ein wunderbares Gefühl, wenn einem das Weltgeschehen völlig wurscht wird. Wir verließen Manaus mit Minibus, überquerten den Rio Negro in einem kleinen Boot und kamen dabei gleich in den Genuss das Zusammentreffen der beiden großen Flüsse Rio Negro und Solemoes zu erleben. Diese beiden riesigen Flüsse bilden dann gemeinsam den Amazonas. Der Rio Negro kommt aus Bolivien, ist von dunkler Farbe und hat einen pH-Wert im sauren Bereich (ca. 3,5). Der Solemoes hingegen ist von gelblich-bräunlicher Farbe, kommt aus Peru und sein pH-Wert ist basisch. Auch die Temperatur der beiden Gewässer ist unterschiedlich. Deshalb mischen sich die beiden Riesenflüsse auch über viele Kilometer hinweg nicht, sondern fliessen tatsächlich nebeneinander her. Mit dem Boot fährt man wie über eine Grenze mal schwärzlich, mal bräunlich. Erst nach 10 Kilometern oder mehr, mischen sie sich und der Amazonas ist bräunlich.
Wir hatten uns daheim ausgestattet mit jeglichem Schutz vor Mosikotos: Hüte mit Moskitonetzen, no - bite-sprays für Körper und Kleidung, Vitamin - B - Tabletten (weil angeblich Moskitos den Hautgeruch dann nicht mögen), Fenistilcreme, langärmelige Blusen und lange Hosen, Das war alles unnötig, denn: das schwarze, saure Wasser ist keine Brutstätte für Moskitos. Unvorstellbar!! Und Lodges für Touristen werden grundsätzlich am schwarzen Wasser errichtet. Wir haben noch nie rgendwo auf der Welt so wenig Mückenstiche bekommen wie dort. Wir konnten also getrost zu jeder Tages - und Nachtzeit mit kurzen Hosen und Shirts ohne Spray auf dem Boot durch die Kanäle schippern :-))
Die Anreisezeit bis zu unserer Lodge am "Turtle Lake" betrug über 3,5 Stunden und ging über holprige Lehmstrassen und zwei Flüsse. Dort angekommen fühlten wir uns wie ein vergessener Indianerstamm. Ihr müsst Euch vorstellen, keine Telefonverbindung nur Funkverbindung mit Walkie - Talkie möglich. Keine staatliche Stromversorgung nur Generatoren. Keine asphaltierten Strassen nur durch den Wald geschlagene Strassen auf roten Lehm. Links und rechts gerodeter Regenwald mit einzelnen Rindviechern.
A propos Rinder, eine kleine Information für Euch. Wer sich in Amazonien niederlassen möchte, wählt sich eine Lage aus, die 500 Meter mal 2 Kilometer groß sein darf. Meldet dies der staatlichen Behörde. Bis die Registrierung erfolgt, darf man aber bereits dort 25% des Grundstücks abholzen und niederbrennen und zum Beispiel für Viehzucht verwenden. Die Leute brennen aber traurigerweise meist mehr oder alles ab und die Behörde kontrolliert nicht oder verhängt nur eine geringe Geldstrafe. Die Rinderherden die wir sahen, waren jedoch lächerlich klein: 10 - 20 Stück! Für das Fleisch EINES Burgers sterben 6 Quadratmeter Regenwald!!!!!! Nach 4 Jahren sind die gesäten Graswiesen abgegrast und bleiben ungenutzt liegen. Auch die Maniokwurzel, ein Hauptnahrungsmittel in ganz Brasilien, trägt nur 3 Jahre, dann sind keine Nährstoffe mehr im festen Lehmboden vorhanden.
In der Turtle Lodge fühlten wir uns wie in einer von der Außenwelt abgeschiedenen Welt. Während unseres Tagesablaufs waren wir ganz nah mit der Natur verbunden. Das Boot war das einzig mögliche Transportmittel, um die Gegend zu erkunden. Wir fuhren stundenlang durch die Flussarme, beobachteten die Vögel und lauschten den Geräuschen des Dschungels: dem Kreischen der Aras, Tukan und vielen Singvögel, dem Brüllen der Affen, dem Quaken der Frösche und dem Zirpen der Zikaden. Stundenlang ließen wir uns auf dem Boot durch das Überschwemmungsgebiet, Igapo genannt, treiben.
Wir fühlten uns so glücklich, frei, entspannt und sorglos. Nichts von gestern hatte Bedeutung, kein Gedanken was morgen passieren würde, nur der Moment, das Jetzt zählte. Den Flug von zwei Aras zu beobachten, das näher kommende Schreien eines Tukan oder das Kreisen des Weißkopfadlers zu beobachten, war das einzig Wichtige. Kinder, ich weiß ich wiederhole mich, aber es waren wirklich viele Aras und Tukane! Eine kleine Ameise ist der Urheber, dass alles, was im Wald herunterfällt, zu Humus verarbeitet werden kann, ein kleines Nagetier, dass Samen im Wald verbreitet werden und die Lunge der Erde weiter existiert. Und so geht es weiter in diesem wichtigen Kreislauf! Wen kümmert da noch, ob sich ein Bundespräsident Geld geliehen hat oder in der österreichischen Bundeshymne Männer UND Frauen besungen werden?
Wir befinden uns gerade in der Regenzeit, die bis Juni anhält. Die Wassermassen lassen die Flüsse täglich bis zu 15 Zentimeter ansteigen, wobei dies nicht nur durch den Regen sondern vor allem durch das Schmelzwasser aus den Anden gespeist wird. Bis zu 15 Meter steigt der Wasserspiegel in der Regenzeit an! Wir angelten Piranhas, beobachteten rosafarbene Delfine, gingen abends auf Kaiman - Fotojagd (kleine Alligatoren), besuchten Familien mit ihren Kindern, die als Obst- und Gemüsebauern und Fischer leben. Besonders interessant war eine Wanderung im Regenwald, wo uns unser Guide Augusto wichtige Pflanzen und deren Verwendung bei den Indios erklärte. Wusstet Ihr, dass alle Blätter im Regenwald spitz enden, damit das Wasser abrinnen kann? Alle! Wusstet Ihr, dass die Bäume keine Jahresringe haben, weil es in Amazonien keine Jahreszeiten gibt? Augusto bastelte uns aus einer Baumrinde ein Seil, das so stark ist, dass man eine Hängematte daraus machen kann; aus gefalteten Palmblättern ein Regendach; und zeigte uns viele andere Überlebenstechniken dank der Pflanzen. Besonders begeisterte uns, die verschiedenen Heilpflanzen kennen zu lernen. Zwei, Andiroba und Copaiba, besorgten wir uns in Form von Ölen dann gleich am Markt in Manaus. Andiroba wird äußerlich angewandt, bei Hautproblemen jeder Art (soll sogar Hautkrebs und Psoriasis behandeln, von Mückenstichen, Wunden, Infektionen ganz zu schweigen). Copaiba hingegen wird ein Tropfen des Öls mit Tee eingenommen und hilft gegen Bronchitis und besonders Nierenproblemen. Jeanette behandelt ihre Sonnenallergie mit Andiroba - Öl und es geht ihr schon viel besser.
Jeanette hatte sich Augusto als jungen, braunhäutigen Brasilianer vorgestellt, der deutsch auf der Uni gelernt hatte oder eben mal nur ein paar Brocken konnte, um deutsche Touristen rumzuführen. Er erwies sich jedoch als Mitfünfziger, mit grauen Haaren und blauen Augen, dessen Vorfahren vor 4 Generationen aus Triest (Österreich) und Süditalien nach Brasilien ausgewandert waren. Er war mit einer Indio - Frau aus einem Dorf 800 km weiter westlich von Manaus verheiratet gewesen. Er spricht die Indianer - Generalsprache und hat sehr viel Gebräuche und auch den Respekt vor der Natur dort erlernt. Er begrüßte den Wald und bedankte sich auch in einem Ritual, wenn wir den Wald wieder verließen.
Das Fenster unserer Hütte war nur ein Moskitonetz und so konnten wir auch nachts den Stimmen des Regenwalds lauschen. Paranüsse fielen vom Baum und wurden uns aufgeschlagen. Eine Paranuss ist eine große Kugel, ähnlich einer Kokosnuss, und enthält innen ca. 24 Stück Nussspalten, die nochmals in einer harten Schale sind. Mit einer Machete schlug man uns die Schalen auf und wir aßen die besten, feinsten, frischesten Paranüsse unseres Lebens. Das, was wir bisher kannten, kann man nicht mit einer frischen Paranuss vergleichen!
Ahoi und alles Liebe! Eure Weltenbummlerinnen
Jeanette & Sandra