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Einflussreiche brasilianische Ideengeberinnen der Vergangenheit

07.11.2022
Starke Frauen und Ideengeberinnen Brasiliens

Wahrscheinlich haben Sie die Namen Anália Franco, Nise da Silveira oder Nísia Floresta bisher noch nicht gehört. Das kann sich in Ihrem nächsten Brasilien Urlaub allerdings ganz schnell ändern. Die in Deutschland größtenteils unbekannten Frauen sind einige der bedeutendsten brasilianischen Feministinnen der vergangenen zwei Jahrhunderte. Die Educadoras, zu Deutsch „Ideengeberinnen“, trugen maßgeblich zu einer Verbesserung der sozialen Verhältnisse in Brasilien bei. Den Werdegang von drei dieser beeindruckenden Frauen möchten wir Ihnen in diesem Artikel vorstellen.

Anália Franco – Selbsternannte Mutter von Sklavenkindern

Anália Franco lebte Mitte des 19. Jahrhunderts bis Anfang des 20. Jahrhunderts (1853-1919). Brasilien durchlebte in dieser Zeit den Übergang vom Kaiserreich zu einer Republik. Bekanntheit erlangte sie durch ihren Kampf für Bildung für alle und ihren Einsatz gegen die Exklusion bestimmter Personengruppen. Ihre Anschauung war damals nicht selbstverständlich. Brasilien war ländlich geprägt und Bildung war ein großes Privileg, selbst für reichere Familien.

Schon mit 16 Jahren fängt sie an, als Grundschullehrerin zu unterrichten. Eine Stelle in São Paulo tauscht Franco schließlich gegen ein Angebot im Hinterland ein, um sich um Kinder in Not zu kümmern. Auf einem Bauernhof gründet sie eine Casa Maternal, eine Art Kinderheim. Anlass war ein Gesetzesbeschluss aus dem Jahr 1871, A Lei do Ventre Livre. Nach diesem waren alle Kinder, die von Sklavinnen mit Beginn des Jahres geboren wurden, frei. Die Sklavenhalter vernachlässigten in den meisten Fällen diese Kinder, da sie keinen finanziellen Nutzen in ihnen sahen. Auf Drängen der Gutsbesitzerin muss Franco das Kinderheim allerdings nach kurzer Zeit schließen.

Daraufhin mietet Franco ohne viel Geld ein Haus in der Stadt, neben einer öffentlichen Schule. Das Haus soll einen „kleinen Mantel“ für Kinder ohne Unterschlupf darstellen. Für die Öffentlichkeit wurde sie zu einem Skandal als eine Frau, die um Kinder von Sklaven „bettelte“. Durch die Unterstützung der Abolitionisten und der Republikaner war Franco in der Lage, eine Kampagne zu starten, dessen Ziel es war, weitere Casas Maternais für Kinder zu eröffnen.

Im Zuge der Abschaffung der Sklaverei im Jahr 1888 und der Ausrufung der ersten brasilianischen Republik ein Jahr später, gelingt es ihr, zwei öffentliche Schulen ins Leben zu rufen. Im Jahr 1901 gründet Franco die „Associação Feminina Beneficente e Instrutiva“ für Frauen und Kinder, die die Einrichtung weiterer Grundschulen, Pflegeheime und Gesundheitszentren ermöglicht. Insgesamt war Franco für die Gründung und Beaufsichtigung von über 100 Institutionen verantwortlich.

Nise da Silveira – Revolutionärin der Psychiatrie

Nise Magalhães da Silveira, geboren 1905, trug maßgeblich dazu bei, die Geschichte der Psychiatrie in Brasilien und in der Welt zu revolutionieren. Sie trat für eine Humanisierung der psychiatrischen Behandlung ein und stellte sich gegen die zu ihrer Zeit verwendeten aggressiven Formen, wie zum Beispiel Therapien durch Elektroschocks. Über die ersten Jahre ihres Lebens ist wenig bekannt. Sie studiert bis 1926 Medizin in Bahia. Silveira ist die einzige weibliche Absolventin neben 157 Männern und eine der ersten Ärztinnen in Brasilien.

Ihre erste Stelle ist in einem Krankenhaus in Rio de Janeiro. Im Jahr 1944 wechselt sie in ein psychiatrisches Zentrum. Dessen Praktiken bezeichnet sie als Barbarei. Dazu zählte die Insulinschock-Therapie, eine damals anerkannte Behandlungsform gegen Depressionen und Schizophrenie. Die Patienten wurden dabei durch eine Unterzuckerung über mehrere Minuten künstlich ins Koma versetzt. Irreversible Gehirnschädigungen waren die Folge dieser wirkungslosen Methode. Silveira weigert sich, weiter auf der Station zu arbeiten und wird in die Abteilung für Ergotherapie versetzt, wo ihre Arbeitsweise mit Patienten auf große Begeisterung stößt.

Im Jahr 1956 gründet Silveira die „Casa das Palmeiras“, Brasiliens erste psychiatrische Klinik in Form einer Tagesschule. Die Ärztin ist davon überzeugt, dass sie die Gefühle ihrer Patienten am besten durch die Kunst kennenlernt. Sie bietet daher Malkurse als Therapiesitzungen an. Neben der Kunst erachtet Silveira den Kontakt zu Katzen und Hunden als äußerst hilfreich für die Patienten. In der Klinik war die Pflege der Tiere ein fundamentaler Bestandteil.

Um die gesammelten Werke ihrer Patienten zu bewahren, gründet sie 1952 das „Museu de Imagens do Inconsciente“, das „Museum der Bilder des Unbewussten“. Dieses etabliert sich darüber hinaus als Studien- und Forschungszentrum. Das Archiv umfasst etwa 350.000 Kunstwerke. Nise de Silveiras Leben ist Thema des 2015 veröffentlichten Filmes „Nise. O Coração da Loucura.“ Der Film wurde mehrfach ausgezeichnet.

Nísia Floresta – Die erste Feministin Brasiliens

Nísia Floresta wird als erste Feministin Brasiliens betitelt. Sie lebte zwischen 1810 und 1885 in Brasilien, zu einer Zeit, in welcher Frauen noch keinen Zugang zu Bildung und einer Berufsausbildung hatten. Floresta war neben ihrem Engagement für die Rechte von Frauen Pädagogin, Abolitionistin und Autorin von insgesamt 15 Büchern und zahlreichen Artikeln. In diesen verteidigt sie die Rechte von Frauen, Indigenen und Sklaven.

Sie studiert in einem Kloster in Pernambuco, wo sie zum ersten Mal in Kontakt mit den aufklärerischen Ideen der Liberalen kam. Inspiriert von diesen Idealen schreibt sie mit nur 22 Jahren ihr erstes Buch über die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern im damaligen Brasilien. Stets betont Floresta, dass der Ausschluss von Frauen aus der Wissenschaft und den öffentlichen Ämtern ihrem Potenzial in keiner Weise gerecht werden würde.

Im Jahr 1838 eröffnet sie eine Schule exklusiv für Mädchen in Rio de Janeiro. Die Schule unterscheidet sich stark von den restlichen Bildungseinrichtungen. Denn die Mädchen wurden in Sprachen, Geschichte, Geografie und Naturwissenschaften unterrichtet und nicht, wie sonst üblich, in Haushaltslehre und den Pflichten einer guten Ehefrau und Mutter.

Floresta versteht Frauen als wichtige soziale Figuren, die fundamental für die Entwicklung einer Gesellschaft sind. Ihre Geburtsstadt Papari in dem Bundestaat Rio Grande do Norte heißt heute zu Ehren ihres Wirkens „Nísia Floresta“.

Die inspirierenden Geschichten im Kampf um Chancengleichheit, soziale Teilhabe und die Achtung jedes Menschen sind ein Teil der brasilianischen Geschichte. Ihre Spuren findet man auf einer Brasilien Reise im ganzen Land. Etwa wenn man in São Paulo in dem Viertel Jardim Anália Franco unterwegs ist oder im Stadtzentrum von Maceió an der Statue von Nise da Silveira vorbeikommt.

Quellen: alianca.org.br, blog.cenatcursos.com.br, educacaointegral.org.br, porvir.org

Quelle: Aventura do Brasil