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Landrechte in Brasilien

05.09.2022
Auf dem Pferd durch Brasiliens Natur: Landrechte

Brasilien ist das größte Land in Südamerika und der fünftgrößte Staat der Welt. Dementsprechend verfügt das Land über eine riesige Bodenfläche und abwechslungsreiche Vegetationszonen, von Regenwald und Savanne bis hin zu kargen Bergregionen. Das macht das Land unter anderem so interessant für Besucher. Eine Brasilien Reise ist für viele Menschen ein Punkt auf ihrer Wunschliste.

Doch nicht nur für Urlauber ist die Natur interessant. Brasilien besitzt einen sehr mineralhaltigen Boden. Wichtige Bodenschätze sind Gold, Uran, Kohle, Silber und Erdgas. Das lockt vor allem Goldsucher an. Und auch für Agrarkonzerne ist der Boden sehr wertvoll. Alleine für den Anbau von Soja, Brasilien ist weltweit größter Produzent, werden immense Flächen benötigt.

Hinzu kommt, dass Brasilien zu den Nationen mit ungerechter Landverteilung gehört. Im Nordosten sind 80 Prozent des Landes das Eigentum von 10 Prozent der Landbesitzer. 90 Prozent der Landeigner kommen mit dem Rest der landwirtschaftlichen Flächen aus. Dieses Land wird vorwiegend von Kleinbauern bewirtschaftet oder ist im Besitz von traditionellen Völkern und Gemeinschaften.

Landrechte von traditionellen Völkern und Gemeinschaften

„Traditionelle Völker und Gemeinschaften“, auf Portugiesisch „Povos e Comunidades Tradicionais“, ist ein originär brasilianischer Begriff, mit welchem alle lokalen Gemeinschaften bezeichnet werden, die sich, wie der Name schon sagt, aus spezifischen Traditionen heraus begründen. Ihre Lebensweise ist nachhaltig und unterscheidet sich von der Mehrheitsgesellschaft. Die Zuordnung erfolgt dabei nicht über die ethnische Zugehörigkeit. So fallen neben indigenen Völkern ebenfalls die Quilombolas, die Nachkommen schwarzer Sklaven, unter den Begriff. Spezifische Berufsgruppen, wie zum Beispiel Kautschukzapfer und Flussanwohner, die Vazanteiros, zählt man ebenfalls dazu.

Insbesondere diese Gruppen sind Opfer von Landkonflikten. Grund dafür sind vor allem ungeklärte Eigentumsverhältnisse. So wurden beispielsweise in den 1970er-Jahren die Flächen entlang der Bundesstraßen an Kleinbauern vergeben. Diese erhielten das Nutzungsrecht, jedoch nicht den Eigentumstitel für die Grundstücke. Weiterhin warten viele indigene Gruppen auf die Demarkation ihrer Territorien, also die rechtssichere Anerkennung seitens des Staates. Hunderte sind noch nicht offiziell bestätigt worden. Dabei ist das Land der indigenen Völker explizit durch die Verfassung von 1988 geschützt. Das Gleiche gilt für die Quilombolas. Auch sie genießen seitens der Verfassung gewisse Landrechte, deren Umsetzung nur sehr langsam erfolgt.

Die fehlende Rechtssicherheit ermöglicht die illegale Aneignung von Land durch Farmer und Goldsucher. Landräuber, in Brasilien als Grileiros bekannt, holzen die Vegetation ab, fälschen Landtitel und verkaufen Flächen an Agrarfirmen. Große Umweltschäden, durch etwa Brände und Rodungen insbesondere im Amazonasgebiet, sind die Folge. Auch der Einsatz von Quecksilber bei der Gewinnung von Goldstaub aus der Erde belastet die Flüsse stark.

Für die traditionellen Völker und Gemeinschaften wären gesicherte Landrechte ein wesentlicher Fortschritt. Sie könnten ihr Land besser verteidigen und in diesem Sinne auch Wälder und angrenzende Waldgebiete schützen. Denn eine Rechtssicherheit würde langfristige Maßnahmen zum Schutz des Waldes, wie beispielsweise die Einrichtung von Nationalparks oder Schutzgebieten der indigenen Bevölkerung, ermöglichen. Mit ihrem traditionellen Wissen über die Pflanzen- und Tierwelt leisten sie einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Indigene Völker bewahren rund 80 Prozent der weltweit verbleibenden Biodiversität.

Kampf gegen Landnahme

Mehrere Gesetzesvorhaben sind besonders umstritten. Die Gesetze würden Bergbau in den Schutzgebieten von Indigenen zulassen sowie den Staat befähigen, Aneignungen von Land im Nachhinein zu legalisieren. Weiterhin können indigene Gemeinschaften ihre Gebiete verlieren, wenn sie nicht belegen können, dass sie bereits 1988 dort wohnten, als die Verfassung in Kraft trat. Doch dieser Nachweis gestaltet sich für die meisten Indigenen als sehr schwierig, da viele im Zuge der Militärdiktatur vertrieben wurden.

Im Rahmen von #lutapelavida, dem #kampffürdasleben, protestierten drei Wochen lang tausende von indigenen Aktivisten aus über 170 ethnischen Gruppen Brasiliens vor den Regierungsgebäuden in der Hauptstadt Brasília. Sie forderten ihre Landrechte ein und kämpften für einen besseren Schutz der Umwelt. Es war die größte indigene Demonstration in der Geschichte Brasiliens.

Mittlerweile gibt es eine App, mit welcher sich die traditionellen Gemeinschaften in den Konflikten um Land zur Wehr setzen. Entwickelt wurde sie von der brasilianischen Nichtregierungsorganisation „IPAM“, die Umweltforschung im Amazonas betreibt. Die App stellt Daten zu Abholzungen zur Verfügung und veröffentlicht die offiziellen Grenzlinien indigener Gebiete. Mit Hilfe der App können die Gemeinden beweisen, dass illegale Eindringlinge sich auf ihren Territorien befinden. Zwar gibt es auch staatliche Karten von diesen Regionen, eine Kopie besitzt allerdings fast niemand. Ein weiterer Vorteil der App ist die Möglichkeit, sich auch über weite Strecken und in extrem abgelegenen Gebieten zu vernetzen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die aktuelle Bodenordnung in Brasilien durch politische und wirtschaftliche Interessen beeinflusst wird. Die Demarkationen sind schwierige Prozesse, die oft mehrere Jahre dauern. Und nicht nur seitens der Rohstoff- und Agrarindustrie kommt Kritik, es regt sich auch in der lokalen Bevölkerung Widerstand gegen die Einrichtung indigener Schutzgebiete. Viele Menschen haben sich in den letzten Jahrzehnten in ebendiesen Gebieten niedergelassen und Häuser gebaut. Häufig haben sie Angst, dass sie aus diesen Orten wegziehen müssen, sollte es zu einer erfolgreichen Demarkation kommen.

Die Aushandlungen um Landrechte sind ein Erbe Brasiliens komplexer Geschichte der Einwanderung und Kolonialisierung. Auch in einem Brasilien Urlaub wird Ihnen sicher die Vielfältigkeit und Komplexität des faszinierenden Landes auffallen!

Quellen: www.bmz.de, www.germanwatch.de, www.giz.de

Quelle: Aventura do Brasil